05 Oct
05Oct

Der erste Sonntag im Oktober ist der traditionelle Termin für das Erntedankfest. Meines Wissens gibt es in allen Kulturen und Religionen ein solches Fest, was nicht verwunderlich ist, denn gerade in Hinblick auf das Beschaffen von Nahrung erkannte der Mensch sehr schnell, dass Jäger- und Sammlerglück und eine gute Ernte nicht allein von ihm selbst abhängen. 

Vielleicht war es so, dass der Mensch - noch bevor sich ihm Gott als Person mit seinem Namen offenbarte - Riten und Kulte entwickelte, die um die Fruchtbarkeit des Lebens kreisten. Dahinter steckt die Erfahrung, dass der Mensch weder seine eigene noch die Fruchtbarkeit der ihn umgebenden Natur voll beherrschen kann. Vielleicht ist das Nachdenken des Menschen über Fruchtbarkeit der Beginn seiner religiösen Entwicklung.

Mit Beginn des industriellen Zeitalters setzte zugleich auch die Industrialisierung der Landwirtschaft ein. Wir erlebten und erleben ein rasantes Tempo. Mit Hilfe riesengroßer Maschinen wird inzwischen innerhalb weniger Tage die Gerste- oder Weizenernte abgewickelt. Gelbe Stoppelfelder gibt es kaum noch, denn bevor die Wälder anfangen bunt zu werden, sind die Äcker bereits komplett für den Winter neu bestellt. 

Früher konnte ein landwirtschaftlicher Betrieb von 25 Hektar Land, 15 Milchkühen und ein paar Schweinen leben, was sich heute nicht mehr rechnet. Die Betriebe müssen sich entweder auf Massentierhaltung oder eine Betriebsfläche von mehreren hundert Hektar Land spezialisieren, was weitreichende ökologische Folgen hat.

Trotz aller technischen Möglichkeiten einer industrialisierten Landwirtschaft bleibt am Ende die natürliche Erkenntnis, dass eine gute Ernte doch nicht allein vom menschlichen Handeln abhängt. 

Am Beispiel der Überdüngung von Böden und dem Einsatz von Pestiziden wird zudem auch deutlich, was passiert, wenn der Mensch zu viel macht, ganz zu schweigen von (menschengemachten) Wetterereignissen, die in kürzester Zeit ganze Landstriche verwüsten und Hungersnöte auslösen können.

Erntedank ist insbesondere für die Satten die Einladung zum Nachdenken über die großen Zusammenhänge. Wer nachdenkt, der wird vielleicht zum Danken kommen. Aber wem soll er danken?

In manchen Gottesdiensten wird heute Erntedank gefeiert und vielleicht das folgende Gebet gesprochen:

"Wir danken dir, Herr, für die Früchte der Erde und für das Walten deiner Vorsehung. Lass auch die Früchte deiner Gnade in uns reifen: die Gerechtigkeit und die Liebe. Darum bitten wir durch Jesus Christus."

Erntedank ist letztlich die Einladung, über Gerechtigkeit und Liebe und schließlich über die ganz große Frage nachzudenken:

Existiert Gott?


UTGH