21 Nov
21Nov

Das Weserbergland und seine Kultur wurden im Laufe der Geschichte wie die meisten Gegenden Europas von zwei Institutionen geprägt: Von Klöstern und Burgen.

Die Herlingsburg bei Lügde zum Beispiel dürfte schon 250 Jahre vor Christi Geburt existiert haben. Heute erkennen nur noch Fachleute die Wallanlagen, von denen die Natur komplett Besitz ergriffen hat. Andere Burgen sind noch gut zu erkennen und noch komplett erhalten. Ich denke an die Burg in Blomberg, die Trendelburg, die Sababurg, die zum Teil eine Ruine ist, den noch erhaltenen Turm der Bramburg im Bramwald, die Burgruine in Polle oder die Schaumburg zwischen Rinteln und Hessisch Oldendorf an der Weser, die Burgruine auf dem Desenberg bei Warburg. Mit der Sababurg wird das Märchen vom Dornröschen, mit der Poller Burg das Märchen vom Aschenputtel in Verbindung gebracht.

Eines gilt inzwischen grundsätzlich für alle Burgen: Sie erfüllen heute nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck. Man benötigt sie nicht mehr als Schutz- oder Zwingburgen, als sichere Zufluchtsorte oder strategische Kontrollpunkte. Neue Waffensysteme und veränderte Formen der Kriegsführung haben Burgen im Laufe der Geschichte überflüssig gemacht. Der Adel, der sie errichtete und betrieb, wohnt heutzutage in den seltensten Fällen auf seinen Burgen. Schon vor Jahrhunderten, begannen adelige Herrschaften damit, meist auf Kosten anderer, repräsentative und bequemere Schlösser zu bauen und darin zu wohnen. In vielen Burgen befinden sich mittlerweile gastronomische Betriebe, andere Burgen beherbergen Museen oder Ausstellungen. Burgen haben heute vor allem eine touristische Bedeutung.

Auch im Weserbergland gab es neben den Burgen viele Klöster. Oftmals bildeten sie eine Symbiose mit Burgen. Die Bramburg war Schutzburg für das Kloster Bursfelde; die Sababurg war Schutzburg für den Wallfahrtsort Gottsbüren und das Kloster Lippoldsberg.

Den meisten wird, wenn sie an Klöster im Weserbergland denken, zuerst die ehemalige Reichsabtei Corvey bei Höxter an der Weser einfallen. Sie wurde wohl von Ludwig dem Frommen, einem Sohn Karls des Großen, gegründet und mit Mönchen aus der französischen Abtei Corbie besiedelt, nachdem eine erste Gründung im Solling keinen Erfolg hatte.

Aber es gab auch andere Klöster im Weserbergland. Hameln wurde wahrscheinlich noch vor Corvey von Mönchen aus Fulda begründet. Weitere Weserbergland-Klöster waren Bursfelde, Lippoldsberg, Amelungsborn, Fredelsloh im Solling, Kemnade bei Bodenwerder, in dem sich das leere Grab des Lügenbarons von Münchhausen befindet, Marienmünster, Brenkhausen, Warburg, Fischbeck oder Möllenbeck, um nur einige zu nennen.

Heute erfüllen die meisten dieser Klöster nur noch teilweise ihren ursprünglichen Zweck, nämlich als Gottesdienstorte evangelischer oder katholischer Gemeinden, nicht aber als Orte, an denen Frauen oder Männer unter einer Klosterregel und der Leitung einer Äbtissin oder eines Abtes leben.

Ich kann spontan nur sechs Orte im Weserbergland benennen, in denen derzeit noch Nonnen oder Mönche, bzw. Christinnen oder Christen in einer Lebens-und Gütergemeinschaft leben: Die Benediktinerinnen der Abtei vom Heiligen Kreuz in Herstelle; die evangelischen Konventualinnen im Kloster Fischbeck; die Steyler Anbetungsschwestern in Bad Driburg, deren Konvent zu einem großen Teil aus philippinischen Schwestern besteht; die koptischen Mönche in Brenkhausen und die syrisch-orthodoxen Mönche in Warburg. Die koptischen und syrischen Mönche haben die Klöster in Brenkhausen und Warburg am Ende des 20. Jahrhunderts erworben und wiederbesiedelt.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese christlichen Gemeinschaften in Brenkhausen, Fischbeck, Herstelle, Warburg und Bad Driburg weiterentwickeln werden. Insgesamt aber stellt sich die Frage, ob die Klöster auf kurz oder lang nicht nur im Weserbergland, sondern auch in ganz Europa und darüberhinaus, das Schicksal der Burgen ereilen wird.

Klöster werden ihrem ursprünglichen Zweck nicht mehr gerecht, wenn weder Nonnen, Mönche noch christliche Gemeinschaften oder christliche Gemeinden vor Ort sind, die diese Orte beleben, dort beten und Menschen Geborgenheit vermitteln und Zuflucht gewähren.

Was bleibt dann? Eine kulturhistorische Stätte? Eine interessante Übernachtungsmöglichkeit mit Wlan für gestresste Manager? Ein Klosterladen mit spezifischen Angeboten an Waren - insbesondere Likör, Wein, Essig oder Klosterkräuterseife - die ich auch woanders erwerben kann? Viele Produkte, die ich im Supermarkt erwerben kann, firmieren inzwischen recht erfolgreich unter dem Label des Klösterlichen.

Ich warte darauf, dass es bald ehemalige Klöster gibt, in denen man sich für ein Wochenende oder länger einquartieren kann, um in Mönchs-oder Nonnenkleidern herumzulaufen und dort Kloster zu spielen. Die Preise dort wären gestaffelt. Wer Äbtissin spielt, zahlt natürlich mehr als der einfache Klosterbruder, der Laub zusammenharkt oder die Dachrinnen reinigt.

Wozu aber dient das Kloster? Wenn wir in der Regel des Mönchsvaters Benedikt von Nursia (480-547) lesen, findet sich eine Antwort: Im Kloster leben Frauen oder Männer gemäß einer Regel und unter der Leitung einer Äbtissin oder eines Abtes, den sich die Gemeinschaft selbst auswählt. 

Die Klostergemeinschaft soll von ihrer Hände Arbeit leben, um niemandem zur Last zu fallen, und sie soll beten. (Ora et labora!) Nonne oder Mönch kann jedoch nur die oder derjenige werden, der Gott sucht.

Das Kloster ist der Ort der Gottessuche. Die Zukunft der Klöster hängt davon ab, ob es auch in Zukunft Menschen gibt, die Gott suchen.